Wenn Fachkräfte fehlen und Jugendliche Jobs suchen – Wien setzt auf Zukunft
Hintergrundwissen
Hohe Jugendarbeitslosigkeit trifft auf Fachkräftebedarf – dieses Paradox ist derzeit am Wiener Arbeitsmarkt vorzufinden. Dieser Widerspruch ist jedoch kein Zufall. Er zeigt, wie eng Arbeitsmarkt, Bildung und soziale Realität miteinander verbunden sind. Doch welche Faktoren bedingen eigentlich Jugendarbeitslosigkeit? Welche Hebel gilt es zu betätigen, um das Potential für die Fachkräftesicherung weiter zu heben?
Sonderstellung Wiens: Beschäftigungswachstum trifft auf Jugendarbeitslosigkeit
Wien weist im Vergleich zu Restösterreich einen demografischen Sonderposten auf. Mit rund 230.000 Menschen zwischen 15 und 24 Jahren, die ca. 11 % der Gesamtbevölkerung ausmachen, ist Wien eine junge Stadt. Doch wie für Großstädte typisch ist Wien von hoher Jugendarbeitslosigkeit betroffen: Im Oktober 2025 lag die Arbeitslosenquote bei Menschen unter 25 Jahren bei 12,7%, während sie österreichweit nur 7,3% betrug. Im Vergleich zum Vorjahr bedeutet das für Wien eine Zunahme von 4,9% an Arbeitslosen unter 25.
Besonders betroffen sind Jugendliche mit Pflichtschulabschluss als höchster Ausbildung – sie machen ungefähr die Hälfte der Arbeitssuchenden unter 25 aus. Diese Entwicklungen entstehen nicht zufällig, sondern sind auf strukturelle Dynamiken zurückzuführen:
- Städtischer Wettbewerb um Lehrstellen
- Hohe Lebensunterhaltungskosten
- Bildungsungleichheit
- Steigende Komplexität beim Berufseinstieg
Gleichzeitig wächst aber auch die Beschäftigung unter Jugendlichen: Während 2024 die Zahl der jugendlichen Beschäftigten (15-24-Jährigen) bundesweit um 1,5% zurückging, stieg sie in Wien um 0,5%. Zudem entwickeln sich die Lehrlingszahlen positiv: In Wien ist die Zahl der Lehrlinge in den letzten 10 Jahren gestiegen, während sie in Gesamtösterreich zurückgegangen ist. Der Anstieg hängt mit dem demografischen Wandel zusammen, da in den letzten Jahren der Anteil der jüngeren Bevölkerung stärker gestiegen ist als in den anderen Bundesländern. Diese Trends belegen, dass Wien trotz struktureller Herausforderungen attraktives Ausbildungspotential bietet.

Gleichzeitig wächst aber auch die Beschäftigung unter Jugendlichen: Während 2024 die Zahl der jugendlichen Beschäftigten (15-24-Jährigen) bundesweit um 1,5% zurückging, stieg sie in Wien um 0,5%. Zudem entwickeln sich die Lehrlingszahlen positiv: In Wien ist die Zahl der Lehrlinge in den letzten 10 Jahren gestiegen, während sie in Gesamtösterreich zurückgegangen ist. Der Anstieg hängt mit dem demografischen Wandel zusammen, da in den letzten Jahren der Anteil der jüngeren Bevölkerung stärker gestiegen ist als in den anderen Bundesländern. Diese Trends belegen, dass Wien trotz struktureller Herausforderungen attraktives Ausbildungspotential bietet.
Hürden auf dem Weg in Ausbildung und Beruf: Warum der Einstieg schwerfällt
Jugendliche Arbeitssuchende sind keine homogene Gruppe. Unterschiedliche Lebensrealitäten, sozioökonomische Hintergründe und ethnische Herkunft prägen ihre Chancen am Arbeitsmarkt. Vor allem Jugendliche aus prekären und sozial benachteiligten Verhältnissen stehen häufig vor zusätzlichen Herausforderungen, da ihnen notwendige Ressourcen fehlen. Diese können von situativen Barrieren wie einer begrenzten Infrastruktur zu Hause oder familiären Verpflichtungen, über kognitive, sprachliche, soziale Barrieren, hohe Zugangshürden oder die Stigmatisierung bestimmter Berufsbilder bis hin zu dispositionellen Barrieren wie dem Einfluss des Umfelds oder fehlender Ziele reichen.
Prekarität kann sich in der Wohnform, Gesundheit, finanzieller Absicherung sowie Bildung und Erwerbstätigkeit ausdrücken und resultiert aus systematischen Ungleichheiten wie Diskriminierung oder sozialen Herausforderungen.
Problemlagen lassen sich aber nicht auf nur ein Merkmal – beispielsweise Migrationshintergrund – zurückführen, sondern sind Resultat einer Überlagerung diverser struktureller Benachteiligungen oder dem persönlichen Lebensverlauf.
Diese Überlagerung von Faktoren führt dazu, dass strukturelle Ungleichheit weitergegeben wird – und berufliche Orientierung oft erst spät oder nur zufällig stattfindet. Allgemein stellt das mangelnde Wissen über unterschiedliche Berufsbilder und Ausbildungsmöglichkeiten eine große Herausforderung für Jugendliche.
NEETs und Drop-Outs – Jugendliche am Rande des Systems
Die Zahl der Jugendlichen, die sich weder in Arbeit noch in formaler oder non-formaler Aus- oder Weiterbildung befinden, steigt. Die sogenannte NEET -Rate erreichte in Wien 2024 ihren historischen Spitzenwert von 12,9% – höher als im restlichen Österreich. Auch frühe Schulabgänger*innen (Drop-Outs ) verstärken diesen Trend. Jugendliche, die das Bildungssystem vorzeitig verlassen, verlieren nicht nur den Anschluss an Ausbildung, sondern auch soziale Strukturen. Dabei bergen diese Gruppen enormes Fachkräftepotenzial. Ihre Integration in Aus- und Weiterbildung ist entscheidend, um langfristige Arbeitsmarktchancen zu sichern – und gesellschaftliche Teilhabe zu ermöglichen. In Wien liegt dafür bereits ein breites Spektrum an Maßnahmen und Initiativen vor, die mitunter zum Angebot im Rahmen der AusBildung bis 18 zählen.

Die Lehre als Chance
In Wien steht die Lehre stark unter Druck. Gerade für Lehrstellensuchende ist die Lage am Lehrstellenmarkt sehr angespannt. Denn während es in den anderen Bundesländern einen Lehrstellenüberhang gibt, kämpft man in Wien mit einer Lehrstellenlücke: Auf fünf Lehrstellensuchende kommt nur eine Lehrstelle. Darüber hinaus liegt die Lehrabbruchsquote mit 26 % deutlich über dem österreichischen Durchschnitt von 18 %. In Wien verzeichnet man mit 30 % außerdem die höchsten Quoten an negativen Lehrabschlussprüfungen und die geringste Lehrabschlussquote Österreichs mit 78,3 %.
Dabei eröffnet gerade die Lehrausbildung Arbeitsmarktchancen, wie die Zahlen deutlich zeigen: 18 Monate nach dem Lehrabschluss (Schuljahr 2020/21) sind über 78 % erwerbstätig mit einem Median-Einkommen von 2.700 Euro – deutlich mehr als AHS-Absolvent*innen, die im gleichen Zeitraum durchschnittlich 2.000 Euro verdienen. Lehrlinge mit erfolgreicher Lehrabschlussprüfung, haben folglich im Vergleich zu Jugendlichen ohne weiterführende Bildung bessere Arbeitsmarktchancen und höhere Arbeitsplatzsicherheit.
Warum Betriebe mehr als Ausbilder sein müssen
Die Lehrausbildung leistet aber auch einen wichtigen gesellschaftlichen Beitrag: Sie bietet jungen Menschen verschiedener sozialer Herkunft einen anerkannten Bildungsweg und trägt so zu sozialer Mobilität bei. Jugendliche aus benachteiligten Verhältnissen bringen allerdings oft nicht die notwendigen Voraussetzungen mit – zum Beispiel, wenn Deutschkenntnisse fehlen oder Belastungen durch schwierige familiäre Situationen oder psychische Erkrankungen vorliegen. Ausbildungsbetriebe müssen daher nicht nur fachliche Inhalte vermitteln, sondern auch zusätzliche Unterstützungsmaßnahmen leisten. Dafür fehlen in vielen Fällen Vorbereitung und notwendige Strukturen. Um Ausbildungsabbrüche zu vermeiden und Chancengerechtigkeit zu fördern, sind gezielt angepasste Fördermaßnahmen notwendig.
Lehrstellenlücke schließen
Um die Lehrstellenlücke zu schließen, braucht es sowohl die Ausweitung betrieblicher Lehrplätze als auch die Förderung alternativer Ausbildungsmodelle. In Wien spielen Lehrausbildungen, die nicht in der klassischen betrieblichen Lehre verankert sind, eine entscheidende Rolle, um Jugendlichen Perspektiven zu bieten und dem Fachkräftebedarf zu begegnen. Dazu gehört jedenfalls überbetriebliche Lehrausbildung (ÜBA) des AMS, die einen wichtigen Beitrag in der Kompensation der strukturellen Lehrstellenlücke leistet, indem sie Jugendlichen, die keine betriebliche Lehrstelle finden, eine qualifizierte Ausbildung anbietet. Aber auch die Facharbeiter*innenintensivausbildung (FIA) des AMS bietet Jugendlichen zwischen 18 und 25 Jahren eine verkürzte Lehrausbildung in gefragten Berufen. Der Öko-Booster ist ein Beispiel für eine gelungene Kooperation AMS, AK Wien und waff, die auch den Bedarf von Qualifizierungen im klimarelevanten Berufen adressiert. Im Rahmen dieses Programms werden bis Ende 2027 mindestens 100 junge Wiener*innen zu Klima-Fachkräften in Elektrotechnik bzw. Installations- und Gebäudetechnik ausgebildet.
Eine ganze Reihe an arbeitsmarktpolitischen Maßnahmen widmet sich darüber hinaus der Förderung der Durchlässigkeit an der Schnittstelle Schule und Beruf oder bietet Unterstützung während der Lehrausbildung. Stellvertretend sei hier das Mentoring Programm Sindbad genannt, das Einzelunterstützung für Jugendliche in ÜBAs anbietet, mit dem Ziel den Übergang in eine betriebliche Lehrstelle zu fördern und berufliche Perspektiven zu öffnen.
Lehrlinge & Betriebe fördern
Die Lehre ist ein zentraler Pfeiler in der Bekämpfung von Jugendarbeitslosigkeit und dem Fachkräftemangel. Allerdings machen die hohen Abbruchsquoten und die angespannte Lehrstellensituation in Wien deutlich: Es wird systematische Unterstützung im gesamten Ausbildungsverlauf gebraucht.
Der waff unterstützt beispielsweise mit der Lehrlings-Förderung insbesondere Jugendliche aus sozioökonomisch benachteiligten Verhältnissen mit der Übernahme von Kosten für Vorbereitungskurse zur Lehrabschlussprüfung.
Unterstützung für die Lehrabschlussprüfung finden Jugendliche außerdem bei Kann Was!. Die #lehrlinginwien-HOTLINE ist ferner eine zentrale Anlaufstelle für Wiener Lehrlinge, die anonyme und vertrauliche Beratung durch Sozialarbeiter*innen von Wiener Berufsschulen in Anspruch nehmen können.
Neben Förderungen für Lehrlinge, bietet der waff auch Unterstützung für Ausbildner*innen an. Die Förderung übernimmt Teilkosten für Ausbildner*innenkurse und Prüfungen.

Joboffensive für Jugendliche – Berufseinstieg erleichtern
Mit der Joboffensive für Jugendliche setzt der waff gemeinsam mit dem AMS ein Zeichen gegen Jugendarbeitslosigkeit. Junge Wiener*innen unter 25 erhalten ab September 2025 im Rahmen dieses Programms finanzielle Unterstützung für Aus- und Weiterbildung, während Unternehmen davon profitieren, Jugendliche aufnehmen zu können und nachhaltig als Mitarbeiter*innen zu behalten. Das Programm verfolgt das Ziel Langzeitarbeitslosigkeit frühzeitig zu verhindern und richtet sich daher an junge Erwachsene, die mindestens neun Monate arbeitslos gemeldet sind. Damit ergänzt die Joboffensive bestehende Maßnahmen und trägt zur Fachkräftesicherung bei.
Berufliche Orientierung als Schlüssel zum erfolgreichen Einstieg
Die berufliche Orientierung spielt eine bedeutende Rolle bei der Reduktion von qualifikatorischen Mismatches am Arbeitsmarkt. Die Wiener Angebotslandschaft ist in diesem Bereich sehr breit gefächert und reicht von Beratung über Mentoring und Coaching bis hin zu Interessenstests, wie im Rahmen des Projekts „Berufsorientierung in Wien“ vom waff systematisch untersucht wurde.
Mit dem Berufsinformationszentrum der Wiener Wirtschaft (BiWi) liefert die WKO-Unterstützung und Orientierung bei Berufswahlentscheidungen für Jugendliche, Erwachsene, Schulen und Unternehmen. Vonseiten des AMS widmen sich allein in Wien 37 Berufsinformationszentren (BIZ) dieser Aufgabe. Die online verfügbaren Angebote des Berufsinformationscomputers (BIC) und des Berufslexikons dienen der Auseinandersetzung mit der Vielfalt an Berufen und fördern so den Erkenntnisgewinn auf dem Weg zu Berufswahlentscheidungen junger Menschen. Ebenso bietet Die AMS-Servicestelle U25 für alle Wiener*innen unter 25 Beratung zu Angeboten rund um Arbeit, Bildung und Soziales.
Ein Unterstützungsangebot für benachteiligte Jugendliche in der Berufsfindung bietet das Jugendcoaching, im Rahmen von Beratung, Begleitung und Case Management an.
Die Jobs der Zukunft: Klima, Soziales und MINT
Nachhaltigkeits- und Klimajobs werden immer relevanter, ein Trend, der sich deutlich in den Zahlen widerspiegelt: Im Mai 2025 gaben im Vergleich zum Vorjahr 30 % mehr Personen, die beim AMS Wien vorgemerkt waren, einen Berufswunsch im Bereich der Green Jobs an. Mit der fortschreitenden Digitalisierung sind auch Berufe im Bereich MINT längst zu einer zukunftssicheren Berufswahl für Jugendliche geworden. Jobs in der Pflege sind aufgrund der demografischen Entwicklung aktuell und künftig stark nachgefragt.
Das AMS Wien bildet in Zusammenarbeit mi dem waff daher aktiv Fachkräfte in diesen Bereichen aus. Im Rahmen des Stiftungsmodell Jugend & Zukunftsberufe, ein waff-Angebot in Kooperation mit dem AMS Wien und der AK, wird jungen Erwachsenen eine kostenlose Ausbildung in drei Top Zukunftsfeldern, dem Umweltbereich, MINT Jobs und sozialen Jobs, ermöglicht und so Fachkräftesicherung mit der notwendigen Transformation zu einer klimaneutralen Wirtschaft verbunden.
Unterstützung für junge Geflüchtete
Wien kann auf großes Potenzial an zugewanderten Personen zurückgreifen, um Fachkräftelücken zu schließen. Ein Modell, dass an dieser Quelle für qualifizierte Arbeitskräfte ansetzt, ist das Wiener Jugendcollege. Das Angebot bündelt Sprachförderung, Basisqualifizierung und Berufsorientierung für 18- bis 25-jährige Asylberechtigte sowie subsidiär Schutzberechtigte im schulähnlichen Format mit strukturiertem Tagesablauf. 86 % der Teilnehmenden bestehen den Pflichtschulabschluss, 59 % die Deutschprüfung und über die Hälfte der Absolvent*innen findet im Anschluss eine Arbeit, eine Ausbildung oder erreicht ihr Kursziel.
Stand 11/2025