Berufsorientierung für alle Altersgruppen: Zu Besuch im Happylab
Best Practice
Jugendliche, Studierende und Quereinsteiger*innen entdecken im Wiener Happylab die Welt der Technik und der digitalen Innovation. Der Ort fördert die kreative Selbstverwirklichung und zeigt auf, wie vielseitig berufliche Wege sein können – und wie die individuelle Neuaufstellung gelingen kann.
Leises Surren von 3D-Druckern, eine modern eingerichtete Werkstätte mit Schweißgeräten, Lasercuttern und vielen weiteren Gerätschaften unterschiedlicher Größe: Der erste Kontakt mit dem Happylab, einem Maker-Space ganz nahe beim Wurstelprater, lässt wohl keine*n Besucher*in unbeeindruckt. Das von Roland Stelzer und Karim Jafarmadar gegründete Happylab ist ein kreativer Raum, rund um die Uhr geöffnet für Schüler*innen, Lehrlinge, Bastler*innen und technische Quereinsteiger*innen. Wer eine Idee hat, soll sie hier mit professionellen Maschinen umsetzen können. Zugleich will man Jugendlichen zeigen, welche beruflichen Möglichkeiten es gibt.
Kreative Macher*innen – die Fachkräfte von morgen
Seit gut 20 Jahren ist das Happylab ein Fixpunkt in der Wiener Maker-Landschaft, das knapp zehnköpfige Team um Stelzer gehört zu den Pionier:innen. Mit modernster Ausstattung – von CNC-Fräsen über 3D-Drucker bis hin zu den erwähnten Laserschneidgeräten, großem Schweißgerät und einem Brennofen – bietet dieser Maker-Space einen niederschwelligen Zugang zu Hightech-Werkzeugen, die oft nur Unternehmen, Forschungseinrichtungen oder Hochschulen vorbehalten sind.
„Wir haben hier eine bunte Mischung an Menschen: Studierende, Start-ups, Designer*innen, aber auch Tüftler*innen, die einfach gerne handwerklich arbeiten“, sagt Stelzer. Besonders spannend: „Viele junge Leute kommen hier erstmals mit digitalen Fertigungstechniken in Berührung.“ Gerade für Jugendliche ist das Happylab ein idealer Ort zur Berufsorientierung.
Viele sind sich ihrer Möglichkeiten gar nicht bewusst. Sie denken, wenn sie sich für Technik interessieren, müssen sie eine klassische Lehre oder ein Studium machen. Bei uns lernen sie, dass es auch andere Wege gibt – und dass man sich viele Kompetenzen einfach selbst aneignen kann.
Roland Stelzer
Die andere Art der Berufsorientierung
Diese Philosophie wurzelt in Stelzers eigener Erfahrung. Während seines Informatikstudiums an der TU Wien traf er auf einen Professor, der das traditionelle Bildungsmodell umdrehte: „Wir haben zuerst experimentiert, haben Fehler gemacht, und dann erst überlegt, warum etwas nicht funktioniert. Das hat mich fasziniert.“ Dieses Prinzip bildet bis heute ein Herzstück der Happylab-Grundidee. „Wir wollen, dass die Leute Dinge ausprobieren, das Scheitern zulassen und daraus lernen. Denn genau so entstehen Fachwissen und Innovation.“
Dieser Ansatz zeigt sich auch in den Bildungsangeboten und Workshops des Labs. „Wir arbeiten mit Schulen zusammen, um Schüler*innen praxisnahe Erfahrungen zu ermöglichen. Die kommen zu uns, probieren Lasergravur, 3D-Druck oder Programmierung aus und bekommen so ein Gefühl für Technik und Design.“ Manche entdecken hier erst ihre Leidenschaft für einen bestimmten Bereich.
Besonders erfolgreich ist ein EU-gefördertes Happylab-Projekt für Lehrlinge, das sich mit digitalen Fertigungstechniken beschäftigt. „Da geht es nicht nur um Fachwissen, sondern auch um ein neues Mindset“, so Stelzer. „Junge Leute lernen, dass sie selbst gestalten können – sei es ein Prototyp für ein Produkt oder eine Lösung für ein Problem in ihrer Ausbildung.“
Erfolgsgeschichten: Vom Hobby zum Beruf
Neben der Ausbildung ist das Happylab auch ein Sprungbrett für Gründer*innen. „Wir hatten schon viele Mitglieder, die mit einer vagen Idee zu uns kamen und heute ein erfolgreiches Unternehmen führen“, erzählt Stelzer. Als Beispiel führt er einen Architekturstudenten an, der sich mit Robotik beschäftigte und daraus ein eigenes Produkt entwickelte. Die „Wunderwuzzi“-Miniroboter aus Zahnbürstenköpfen sind mittlerweile ein Riesenhit bei vielen Kindern und deren Eltern. Und dann gab es noch diesen Marketing-Profi, der eigentlich nur für seinen Neffen ein cooles Holzlaufrad im Motorrad-Design baute. Zahlreiche Interessent*innen aus dem nächsten Umfeld führten zu immer mehr Aufträgen – und mittlerweile sind die „Mini-MOTOZ“ ein großer Verkaufserfolg.
„Solche Geschichten zeigen, dass es nicht nur den einen, planbaren Karriereweg gibt“, freut sich Stelzer: „Manchmal führt ein einfaches Hobby zu einer neuen Berufung.“ Die demographische Struktur der Mitglieder, die bis ins hohe Pensionsalter reicht, aber auch die interdisziplinäre Mischung der Talente sieht er dabei als große Stärke des Happylab. Wenn etwa ein Tischler neben einer Informatikerin arbeitet, „entstehen oft unerwartete Synergien“.
(Mehr) Frauen in die Technik

Trotz aller Erfolge sieht Stelzer viel weiteres Potenzial, insbesondere im Bereich der Gleichstellung. Leider sind Frauen in Maker-Spaces allgemein noch unterrepräsentiert. „Wir versuchen, das zu ändern – mit speziellen Kursen für Frauen und Mädchen, mit Schul-Kooperationen und weiblichen Role Models.“
Ein weiteres wichtiges Anliegen ist ihm das Thema Nachhaltigkeit. „Wir arbeiten an Projekten, die sich mit Kreislaufwirtschaft und Reparatur beschäftigen.“ In Zukunft wird es immer wichtiger werden, dass wir als einzelne Mitglieder der Gesellschaft Produkte selbst herstellen oder reparieren können, statt sie einfach wegzuwerfen. Dafür braucht es Menschen mit den richtigen Kompetenzen, „und genau diese versuchen wir zu vermitteln.“
Moderne Berufsorientierung ist also viel mehr als nur eine Entscheidung im Alter von 14 Jahren. Und gerade im Happylab finden viele Menschen deutlich später heraus, was sie wirklich begeistert. „Wir haben immer wieder Menschen, die hierherkommen, weil sie in ihrem Job unzufrieden sind und sich umorientieren wollen“, berichtet Stelzer. Es gebe eben kein Mindestalter oder Ablaufdatum für Neugier. Im Happylab kann jede*r herausfinden, was ihn oder sie wirklich begeistert.
Während wir durch die Werkstätten gehen, grüßt Stelzer immer wieder Mitglieder, die konzentriert an ihren Projekten und Werkstücken arbeiten. Er kennt sie zu weiten Teilen persönlich, was ihm auch durchaus ein Anliegen ist. Denn das Happylab ist kein anonymes Unternehmen, sondern eine echte Community. Hier entstehen nicht nur Produkte, sondern auch Freundschaften – und manchmal sogar völlig neue Lebenswege.