„Wir brauchen Profis für Zukunftsberufe“
Wirtschaft und Arbeit – das gehört zusammen. Der Wiener Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke und waff-Geschäftsführer Fritz Meißl erläutern das in einem Gespräch über den Wirtschaftsstandort Wien, Branchen mit Zukunft und Tipps für Menschen in einer Phase der beruflichen Orientierung.
Wien setzt bei vielen Initiativen auf Stärkefelder – auch beim Thema Fachkräfte. Welche sind das?
Peter Hanke: Wir haben mit der Strategie „Wien 2030 – Wirtschaft & Innovation“ den Weg der Weiterentwicklung des Wirtschaftsstandorts eingeschlagen. Darin sind sechs Spitzenthemen wie Gesundheitsmetropole, Digitalisierung, smarte Produktion und Kultur- und Kreativmetropole definiert. Die Fachkräftesicherung hat dabei große Bedeutung.
Wien erlebt eine lange Phase des Beschäftigungsanstiegs. Was sind die wichtigsten Eckdaten zum Wirtschaftsstandort?
Peter Hanke: Wien steht auch in Zeiten der abgeflauten Wirtschaftslage noch verhältnismäßig gut da. Das Wirtschaftsforschungsinstitut WIFO sieht für Wien für 2023 noch ein knappes Plus von 0,1 Prozent bei der Bruttowertschöpfung, bundesweit ein Minus von 0,6 Prozent. Für 2024 wird für Wien ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent erwartet, für Österreich 0,9 Prozent. Das bedeutet, dass nach einer Stagnation beziehungsweise einem Rückgang der Wirtschaftsleistung 2023 im heurigen Jahr eine leichte Erholung eintreten sollte. Die Wiener Wirtschaft wird 2024 schneller wachsen als die gesamte österreichische Wirtschaft.
Was heißt das für die Beschäftigung?
Fritz Meißl: Der Wiener Arbeitsmarkt sendet positive Signale: In den vergangenen acht Jahren wurden 100.000 Jobs geschaffen. Im November wurde mit 925.000 unselbstständig Beschäftigten erneut ein Rekordwert erreicht, das sind 1,2 Prozent mehr als im November 2022. Der wichtigste Grund dafür ist die positive wirtschaftliche Entwicklung der letzten Jahre.
Stichwort Fachkräftemangel: Welche Schritte setzt die Stadt um das Thema anzugehen?
Peter Hanke: Wir brauchen ausreichend Fachkräfte. Das ist entscheidend für die Unternehmen und die öffentlichen Dienstleistungen in unserer Stadt. Dabei haben wir grundsätzlich eine sehr gute Ausgangsposition. Die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter wird laut Prognosen bis 2030 um 63.000 steigen,während im übrigen Österreich ein Rückgang um 33.000 Personen erwartet wird. Wien
ist ein attraktiver Arbeitsort, nicht umsonst pendeln 274.000 Menschen zur Arbeit nach Wien. Die hervorragende Ausbildungsinfrastruktur mit höheren Schulen und 23 Hochschulen für 193.000
Studierende tut ihr Übriges.
„Wir brauchen genügend Fachkräfte. Das ist entscheidend für die Unternehmen und die öffentlichen Dienstleistungen.“
Peter Hanke, Wirtschaftsstadtrat
Welche Rolle spielt dabei das neue Fachkräftezentrum?
Peter Hanke: Mit dem Fachkräftezentrum der Stadt Wien im waff schaffen wir die Rahmenbedingungen für eine solide Analyse der Fachkräftesituation. Wir etablieren den waff als zentrale Koordinationsdrehscheibe für die Fachkräftesicherung im kommunalen Handlungsbereich. Dazu bündeln wir alle finanziellen Anreiz- und Unterstützungsangebote im kommunalen Verantwortungsbereich inklusive der Basisqualifizierungen im waff. Daneben fungiert das Fachkräftezentrum als eine Art Ideenschmiede, die alle relevanten Player an einen Tisch bringt und vor allem zwei wesentliche Aufgaben erfüllt: Erstens soll die Bedarfssituation in Wien systematisch analysiert und Problemstellungen frühzeitig erkannt werden. Zweitens hat das Fachkräftezentrum die Aufgabe, alle für die Entwicklung von effektiven
Problemlösungsstrategien relevanten Verantwortungsträger*innen an einen Tisch zu bringen und bei der Entwicklung von konkreten Maßnahmen unterstützend und koordinierend zur Verfügung zu stehen.
In welchen Branchen fehlen aktuell besonders viele Fachkräfte? Wie wirkt sich das auf die Unternehmen aus?
Fritz Meißl: Grundsätzlich muss man sagen, dass nicht jeder Personalmangel in
einem Betrieb ein Mangel an Fachkräften ist. Es kann auf dem Arbeitsmarkt genügend Fachkräfte mit geeigneter Qualifikation geben, aber aufgrund der Arbeitsbedingungen, der Bezahlung oder
fehlender Mobilität für einen konkreten Betrieb nicht. Es gibt drei zentrale Herausforderungen: in der gesamten Daseinsvorsorge, dem Klimaschutz sowie in der IT und der Digitalisierung.
Digitalisierung sowie Klimaschutz und Klimaanpassung schaffen neue Berufsfelder. Welche Herausforderungen gibt es dabei?
Peter Hanke: Die Digitalisierung berührt alle Bereiche des gesellschaftlichen und wirtschaftlichen Lebens. Und sie ist ein wesentliches Stärkefeld der Wiener Wirtschaft, daher ist in der IT und in verwandten Berufen der Fachkräftebedarf hoch. Einerseits sind Entwicklerinnen und Entwickler gesucht, die Anwendungen vorantreiben. Und andererseits wird jeder Beruf durch die Digitalisierung mehr oder weniger verändert. Das bedeutet, dass sich jede und jeder mit den Anforderungen der Digitalisierung an den eigenen Beruf auseinandersetzen muss. Auch der Klimaschutz gibt wesentliche wirtschaftliche
Impulse. Viele klassische Berufe erleben mit neuen Schwerpunkten und Kompetenzen einen Aufschwung. In Wien werden Unternehmen, die Lehrlinge in klimaschutzrelevanten Berufen ausbilden, gefördert. Darunter finden sich 70 Lehrberufe wie Installations- und Gebäudetechniker*innen, Elektrotechniker*innen, aber auch Entsorgungs- und Recyclingfachkräfte.
Was ist Ihr Rat an junge Menschen, die sich gerade beruflich orientieren?
Peter Hanke: Die aktuellen Entwicklungen bringen viele Chancen – auch rund um Digitalisierung, Klimaschutz und Daseinsvorsorge. Aber am wichtigsten ist, dass man seinen Beruf mit Freude ausübt. Und beständiges Lernen über die gesamte Laufbahn ist für uns alle sinnvoll.
Fritz Meißl: Alle, die im Job unzufrieden sind, sollten jetzt über einen Wechsel nachdenken. Das kostenlose Beratungs- und Unterstützungsangebot des waff steht allen offen, die im Beruf weiterkommen wollen.
"Unser Angebot für Beratung und Bildung im waff steht allen offen, die im Beruf weiterkommen wollen."
Fritz Meißl, waff-Geschäftsführer
Foto: Foto: PID/Dujmic
Wirtschaftsstadtrat Peter Hanke (l.) und waff-Geschäftsführer Fritz Meißl im Interview mit MEIN WIEN Interview 01/2024